Hirngerbung

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Die Hirngerbung, also die Gerbung von Tierhäuten mit der tiereigenen Hirnmasse, ist ein nahezu in Vergessenheit geratenes Gerbverfahren, das in der Praxis heute kaum noch anzutreffen ist. Historisch wurde es hauptsächlich von nordamerikanischen Ureinwohnern angewandt und mit einer Rauchkonservierung verbunden. Aber auch die Zulus in Afrika, die Sami in Skandinavien und die verschiedene Völker Asiens kannten dieses Gerbverfahren. Für die Hirngerbung können die Häute aller Säugetiere verwendet werden. Als Pelz, Fell oder als Leder. Je größer die Haut, desto aufwendiger die Gerbarbeit.

Vorteile der Hirngerbung war, dass Hirn durch das Töten der Tiere immer mit vorhanden war und die Gerbung mit Hirn schnell ist. Eine Hirngerbung dauert nur wenige Tage. Auch der technische Aufwand ist gering, und die Leder sind leicht weich zu machen. Die Produktion findet zu 100% aus Naturprodukten statt, und man benötigt keine weitere "Chemie".

Nachteil ist der erhöhte Arbeitsaufwand, und die erfolgreiche Gerbung gelingt nicht so einfach wie bei den sonst üblichen Gerbarten. Die Hautschicht der Haarseite sowie die Fett- und Fleischreste der Rückseite müssen im trockenen Zustand sehr sorgfältig entfernt werden, damit das Hirn gut in die Fasern eindringen kann. Nur so wird das Leder schön weich. Bei kleineren Häuten kann auch nass gearbeitet werden. Da die Hirnmasse nicht über ein Bad in die Lederfaser eingebracht wird, muss sie mit erheblichem Arbeitsaufwand in die Faser gedrückt werden. Das muss sorgfältig erfolgen, damit das Ergebnis schön wird.

Die Gehirnmasse löst das hauteigene Fett und bewirkt gleichzeitig eine äußerliche Fettung sowie einen Fülleffekt ähnlich dem Glacéverfahren. Vorbereitend wird das Gehirn zuerst gekocht und dann in kleinen Portionen auf die Rohhaut (mit oder ohne Haarbesatz) aufgetragen, bevor es mit einem runden, stumpfen Gegenstand so kräftig in die Haut einmassiert wird, als ob man die Hirnmasse auf der anderen Hautseite wieder herausdrücken wollte. Nach dem Einreiben wird auch das Kochwasser des Gehirns auf diese Weise in das Leder aufgetragen, um den Gerbstoff noch besser zu verteilen.

Hirngegerbte Leder sind an sich nicht resistent gegen Verhärtungen beim Trocknen, nachdem sie Nässe ausgesetzt waren. Wie beim Glacéleder spricht man hier von einer "unechten", nicht permanenten Gerbung, da die Hautfasern selbst sich chemisch nicht verändern und die Gerbung prinzipiell auswaschbar ist. Auch der Gerbvorgang selbst ist wie bei der Weißgerbung sehr kurz und kann in wenigen Tagen abgeschlossen sein.

Um die Weichheit hirngegerbter Leder dennoch zu gewährleisten, wurden sie traditionell in einem speziellen Zelt über Holzrauch gelagert, was der Haut einen dunklen Braunton verlieh. Ohne dieses Verfahren ist das Leder weißlich.


Die Empfehlung, wenn man in geringem Umfang Rohhaut selber mit Hirn gerben möchte

  • Frische Häute zuerst sauber waschen. Dann abtropfen lassen.
  • Bei gesalzenen Häuten das Salz sehr gründlich auswaschen. Das Wasser drei- bis viermal auswechseln, damit das Salz restlos ausgespült wird.
  • Getrocknete oder teilweise getrocknete Häute gut in Wasser einweichen. Das kann bis zu einem Tag dauern und das Leder zwischendurch im Wasser walken, damit es überall Wasser zieht. Die Haut muss vor dem nächsten Arbeitsschritt überall weich geworden sein. Wenn das Haar erhalten bleiben soll, darf die Zeit der Haut im Wasser nicht mehr als einige Stunden betragen.
  • Die Haut aufhängen und abtropfen lassen.


  • Das Entfleischen kann im Rahmen (trocken oder nass) oder am Gerbbock erfolgen.


  • Bearbeitung auf dem Gerbbock: Die Rohhaut mit der Haarseite nach unten auf einen glatten Baumstamm legen, wo die Rinde entfernt wurde. Dazu einen ca. 170 Zentimeter langen Stamm mit einem Durchmesser von 20 Zentimetern verwenden, wo die Oberfläche glatt und ohne Harzreste ist. Zur Bearbeitung der Haut wird der Stamm schräg angelehnt und stabilisiert. Man nennt den Stamm dann Gerbbaum oder Gerbbock.
  • Mit dem Abtragmesser (oder Zieh- oder Schäleisen) Fett und Fleischreste abschaben. Das Messer darf nicht scharf sein. Das Fleisch wird abgeschabt. Gründlich arbeiten, sonst gelingt die Gerbung nicht, aber vorsichtig, um keinen Löcher im Flankenbereich oder den Achseln zu machen. Vorsicht ist auch in Bereichen mit Hautschäden geboten. Gearbeitet wird von oben nach unten und man sollte systematisch Streifen neben Streifen leicht überlappend schaben. Das Leder kann durch Einklemmen zwischen Stamm und Gegenstück fixiert werden. Die Haut so lange um positionieren, bis alle Flächen frei geschabt sind. Die Haut muss immer faltenfrei glatt liegen. Sollte die Haut trocken werden, wieder nass machen.
  • Die Unterhaut wird mit entfernt. Sollte das Aufgrund der federnden Haare schwierig sein, evtl. zuerst die Haare entfernen und später mit der Unterhaut weiter machen.
  • Bei gelöstem Haar auch die Haare auf der Haarseite abschaben. Eine eingeweichte Haut lässt sich leichter enthaaren. Das kann auch erfolgen, indem man die Haut einen Tage in Wasser lagert. Je wärmer, desto schneller der Prozess der Aufquellung. Lassen sich die Haare leichter entfernen, war die Quellung ausreichend lang. Außer den Haaren wird auch die Epidermis und Narbenschicht entfernt. Lässt man die Haut zu lange im Wasser, fängt die an zu stinken und die Haare lösen sich so einfach, dass man nicht mehr gut erkennt, wo man schon gearbeitet hat und bei Hautschäden geht die Haut schneller kaputt. Die Arbeitsweise und die Arbeitsgeräte sind wie beim Entfleischen. Es wird in Strichrichtung der Haare gearbeitet, damit man die Haare nicht abbricht. Um die Narbenschicht restlos zu entfernen, muss sorgfältig gearbeitet werden. Lieber mehr, als weniger, aber die Haut nicht beschädigen. Wenn die Narbenschicht nicht sorgfältig entfernt wird, dringen die Gerbstoffe nicht gut ein und man sieht die Stellen auf dem fertigen Leder als glatte Stellen. Eine Färbung durch Räuchern wird dort dann weniger stark angenommen. Das Leder im Arbeitsverlauf nass halten. Sonst lässt sich die Narbenschicht nicht mehr entfernen.
  • Wenn das Haar nicht gelöst werden soll, das Haar sauber waschen, wenn es dreckig ist. Mit warmem Wasser und Shampoo. Bei Schafwolle öfter, um das Wollfett zu entfernen. Aber nicht zu lange im Wasserbad lassen, um das Haar nicht anzulösen. Danach ausspülen.
  • Die Fett-, Fleisch-, Gewebereste und Haare können kompostiert werden, wenn es die Entsorgungsvorschriften zulassen.
  • Bei einer Rehhaut dauert die Bearbeitung ca. eine Stunde, bei einer Bisonhaut bis zu fünf Stunden.


  • Bearbeitung im Rahmen: Die Haut in einen Rahmen spannen und trocknen lassen. Dazu alle 5 Zentimeter im Außenrand Löcher in die Haut machen. Dann die Haut immer jeweils gegenüberliegend mit einer stabilen Schnur mit leichtem Zug in den Rahmen spannen. Erst oben, dann unten, dann links, dann rechts etc. Wenn alle Schnüre gespannt sind, die Haut trocknen lassen. Dabei zieht sich die Haut zusammen und wird wie Trommel-Pergament aussehen.
  • Trocken-Schaben: Haare und Oberhaut und Membrane der Fleischseite werden trocken abgeschabt. Der Vorgang muss sehr sorgfältig gemacht werden, damit die Hirnmasse später gut eindringen kann und das Leder weich wird. Sonst bleibt das Leder hart. Das Schabwerkzeug muss eine scharfe Klinge haben. Auf der Haarseite werden zuerst die Haare abgeschabt und dann die Oberhaut (Epidermis), die wie dünnes Zigarettenpapier ist und blassgrau ist. Auf der Fleischseite wird die Unterhaut (Membran) auf gleiche Weise entfernt. Soll das Haar erhalten bleiben, wird die Haarseite nicht bearbeitet. Das Trocken-Schaben ist insbesondere für große Häute geeignet oder wenn das Haar erhalten bleiben soll.
  • Alternativ Nass-Schaben: Bei dieser Vorgehensweise ist die Haut beim Entfleischen und Enthaaren nass. Die Werkzeuge müssen dann nicht so scharf sein. Nass-Schaben kommt in Frage, wenn die Trocknung nicht durchgeführt werden kann und die Bearbeitung geht nass schneller.
  • In Bereichen, wo die Haut dicker ist (manchmal Rückgrat, Nacken oder Schenkel), mehr schaben, um die Haut dünner zu machen. Das gilt auch, wenn die Haare erhalten bleiben.
  • Wenn das Leder glatt werden soll, noch einmal im trockenen Zustand mit Schleifpapier feinschleifen.
  • Die Haut aus dem Spannrahmen schneiden. Wenn das Haar erhalten werden soll, bleibt die Haut im Spannrahmen.
  • Man kann die Haut getrocknet als Pergament belassen und für Trommelbespannungen oder Riemen verwenden.


  • Ca. 800 Gramm Kalbshirn (oder von anderen Tieren) in 3 Liter Wasser kochen. Die Hirne bei ständigem Rühren in 10 Minuten zu einem dicken Brei kochen und abkühlen lassen. Wenn das Haar erhalben bleiben soll, muss der Brei dicker werden. Daher dann die Hirne nur in 2 Litern Wasser kochen.


  • Ohne Haare: Die Haut 30 Minuten in Wasser eintauchen, um sie wieder weich zu bekommen. Abtropfen lassen.
  • Die Haut dann ca. 15 bis 20 Minuten in den Hirnbrei tunken und ab und zu durchkneten.
  • Die Haut über ein straffes Seil hängen und darunter einen Behälter zum Auffangen der Feuchtigkeit stellen.
  • Die Haut wird zusammengerollt und die Enden ineinander gesteckt, so dass ein "Ring" entsteht. Dann einen Stock durch den Kreis stecken und das Leder sehr stark eindrehen, damit die Hirnmasse in die Lederfasern gepresst wird und die Haut durchdringt. Überschüssige Hirnmasse im Behälter auffangen. Das Wringen fünf- bis zehnmal wiederholen.


  • Mit Haaren: Die Hirnmischung in die Fleischseite des Leders im Spannrahmen sorgsam einreiben, damit die Hinrmasse gut eindringt, überschüssigen Hirnbrei abschaben und dann trocknen lassen. Den Vorgang fünf bis zehn Mal wiederholen. Die Hirnmasse dazwischen kühl lagern, damit diese nicht verdirbt. Dann das Fell vom Rahmen nehmen. Wichtig: Felle sind schwieriger erfolgreich so zu gerben. Die Haut muss dünn sein und es muss sorgsam gearbeitet werden. Sonst wird das Fell hart wie ein Brett.


  • Danach evtl. vorkommende Löcher im Leder zunähen, damit diese beim Walken nicht größer werden.
  • Weich machen: Entweder wie bei der Empfehlung "Walken" über eine abgerundete Brettkante ziehen (nur so bei Fellen) oder das Leder über eine Leine hängen und an beiden Enden gegenläufig ziehen, oder zwei Personen ziehen jeweils am gegenüberliegenden Ende. Den Vorgang über mehrere Tage wiederholen und das Leder in einer Tüte lagern, damit es nicht trocknet. Bei allen Varianten nicht zu fest ziehen, damit das Leder nicht reißt!
  • Räuchern: Durch das Räuchen verhinderten die Indianer Nordamerikas, dass das Leder durch Wasser hart wird. Das Räuchern imprägniert die Oberfläche. Durch die dunklere Farbe durch das Räuchern wird das Leder optisch auch nicht so schnell schmutzig. Zum Räuchern das Leder wie für ein Zelt auf Stangen über das Feuer spannen. Vorsichtig, damit das Leder nicht anbrennt oder schrumpft. Das Feuer aus Glut, Baumrinde, Gräser, feuchtem Holz etc. machen, damit mehr Rauch als Hitze entsteht. Beide Lederseiten so behandeln, bis sie braun geworden sind. Der Vorgang dauert mehrere Stunden. Bei Fellen nur die Fleischseite räuchern.
  • Danach ist das Leder fertig für die Verarbeitung zum gewünschten Objekt.


-> Start bei "Selber gerben".


Weitere Informationen


Film über die Lederherstellung

Filme über die Lederherstellung in der Gerberei


Stationen der Lederherstellung
Lagern - Weichen - Entfleischen - Äscher - Beizen - Gerbung - Abwelken - Sortieren - Spalten - Falzen - Neutralisieren - Füllen - Färben - Fetten - Trocknen - Stollen - Zurichtung - Kontrolle


Verfahren der Gerbung
Chromgerbung - Lohgerbung - Weißgerbung - Fettgerbung - Synthetische Gerbung


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