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Version vom 1. Oktober 2019, 06:03 Uhr
Fachartikel in der Pro-Leder Ausgabe 2018-01 von Jörg Rausch, Lederzentrum GmbH, Rosdorf.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Fachartikel in der Pro-Leder Ausgabe 2018-01 - Anilinleder – die Krönung der Lederarten?
- 1.1 Was ist Anilinleder?
- 1.2 Was ist das beste Leder?
- 1.3 Kann man die Lederqualität messen?
- 1.4 Anilinleder als Fahrzeugleder
- 1.5 Anilinleder als Möbelleder
- 1.6 Anilin-, Semianilinleder (RAL GZ 430)
- 1.7 Anilinleder mit leichten Pigmentzurichtungen
- 1.8 Anilinleder veredelt (gebrauchsoptimiert)
- 1.9 Endverbraucher und der Begriff Anilinleder
- 1.10 Endverbraucherbefragung zum Begriff Anilinleder
- 2 Weitere Informationen
Fachartikel in der Pro-Leder Ausgabe 2018-01 - Anilinleder – die Krönung der Lederarten?
Anilinleder ist in der obersten Preisklasse angesiedelt und wird als die beste aller Lederarten bezeichnet. Aus Kundensicht trifft das nicht immer zu.
Was ist Anilinleder?
Anilinleder, aufgrund einer früheren Namensgebung auch als „naturbelassenes Leder“ bezeichnet, ist ein Glattleder, bei dem der natürliche Narben bzw. die Haarporen noch deutlich und vollständig sichtbar sind. Eine pigmentfreie Zurichtung darf maximal 0,01 mm Stärke aufweisen.
Beim Anilinleder sind die Haarporen sichtbar und Feuchtigkeit dringt ein.
Geregelt ist das in der DIN EN 15987 (Leder – Terminologie – Hauptdefinitionen für den Lederhandel, Juli 2015, Punkt 4.2.3.1). Auf diese Norm verweist die DIN 68871 (Möbel – Bezeichnungen und deren Anwendung, April 2017, Punkt 3.2.2) mit der Ergänzung, dass Anilinleder vollnarbig sein muss, bzw. der Narben nicht angeschliffen sein darf. Auf diese beiden Normen verweist wiederum die RAL GZ 430 (Allgemeine Güte- und Prüfbestimmungen für Möbel, Januar 2016, Punkt 9.8.2). Die DIN EN 16223 (Leder – Anforderungen an Bezeichnung und Beschreibung von Leder für Polsterungen und die Innenausstattungen von Automobilen, Februar 2013) verweist unter Punkt 5.3 auf die Lederartenbezeichnungen der DIN EN 15987. Somit ist der Terminus Anilinleder in den Normen definiert.
In der Werbung des Handels werden diese Parameter um Kaufargumente ergänzt. Anilinleder müssen wegen der Sichtbarkeit des Narbens absolut makellos sein. Das macht Anilinleder besonders edel und exklusiv, weil nur ein Bruchteil der Rohware ohne sichtbare Hautschäden ist. Anilinleder sehen natürlich und matt aus und haben eine angenehme, wachsige und warme Haptik. In der Argumentation und Preiseinteilung wird Anilinleder als das beste Leder eingestuft.
Was ist das beste Leder?
Diese Frage bekommt man oft auf Lederschulungen gestellt. Hat eine besondere Tierart das beste Leder, oder ist es eine bestimmte Lederart? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Es kommt darauf an, wofür das Leder verwendet wird, wie es beansprucht wird und was der Kunde davon erwartet.
Ein butterweiches Ziegennappa ist bestens für Handschuhe geeignet, aber nicht für Fahrzeug- oder Möbelleder. Ein vollnarbiges Gürtelleder ist nicht für den Relaxledersessel geeignet und strapazierfähiges Autoleder nicht für die Ledersohle eines Schuhs. Ein weiches Elchleder ist ein wunderschönes Bekleidungsleder, aber erfüllt nicht die Sicherheitsanforderungen, die an eine Motorradkombi oder an das Oberleder von Sicherheitsschuhen gestellt werden. Es gibt dazu keine Tierart, die eindeutig besser ist als das verbreitete Rindsleder. Es muss von Fall zu Fall unterschieden werden, welches Leder für einen Verwendungszweck in Frage kommt und ob es die geforderten Qualitätsparameter erfüllt und dazu alltagstauglich aus Kundensicht ist.
Kann man die Lederqualität messen?
Es wäre einfach, wenn man nur eine Messung am Leder vornehmen könnte und damit die Qualität bestimmen würde. Es gibt aber nicht nur einen Parameter zur Ermittlung der Lederqualität, sondern Dutzende. Insbesondere die Fahrzeug- oder Flugzeughersteller haben eine Vielzahl an Anforderungen an die verarbeiteten Leder. Genormte Prüfparameter für Leder sind z. B. die Reibechtheit, die Lichtechtheit, die Atmungsaktivität, das Gewicht, die Dicke, die Zugfestigkeit, die Weiterreißkraft, die Zurichtungshaftung, die Schwerentflammbarkeit, die Flexibilität, das Knickverhalten, die Wasserdurchlässigkeit, die Säure- und Laugenbeständigkeit, die Hydrolysebeständigkeit, die Haptik, der Glanzgrad, die Rückpolierbarkeit, das Anschmutzungsverhalten, das Knarzverhalten, der Geruch oder das Fogging.
Lederqualität kann gefühlt und gemessen werden.
Um ein Leder zu bewerten, müssen die relevanten Prüfparameter ermittelt werden. Erfüllt ein Leder alle Parameter, ist es geeignet, wenn der Preis dazu akzeptabel ist. Möchte man die Qualität verschiedener Lederanbieter vergleichen, kann man dazu noch betrachten, wie weit das Leder die relevanten Parameter über dem geforderten Mindestmaßstab erfüllt. Ist ein Leder deutlich über den geforderten Mindestanforderungen, ist es besser als ein Leder, welches die Anforderungen nur knapp erfüllt. Neben dem Preis können auch Gerbarten (FOC = free of chrome, pflanzlich gegerbt) oder Gütesiegel wie der Blaue Engel oder das DGM-Emissionslabel die Auswahl beeinflussen.
Betrachtet man aus diesem Blickwinkel den Möbel- und Fahrzeugpolstermarkt, erfüllen die Qualitätskriterien für Anilinleder nicht immer die Kundenerwartungen. Von Möbel- oder Autoledern erwarten die Kunden im höheren Preissegment ein langlebiges Leder. Die Objekte sind teuer, und Neubezüge sind nicht nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung eingeplant. Die Kunden erwarten in den oberen Preisklassen, dass sie sich bei normalem Gebrauch über mehr als 10 Jahre an ihrer Lederinvestition erfreuen können.
Anilinleder als Fahrzeugleder
Im Fahrzeugbereich erfüllt Anilinleder nicht die Mindestanforderungen der Autoindustrie. Bei der Reibechtheit, Lichtechtheit oder dem Anschmutzungsverhalten fallen die Leder gnadenlos durch. Die Krönung der Lederarten ist daher im Fahrzeugbereich kaum vertreten oder wird bei Sonderausstattungen meist zum Problemfall. BMW hatte im letzten Jahrhundert offenporiges Büffelleder im oberen Preissegment wie der 7er-Serie im Programm. Das Leder entwickelte mit der Zeit eine Patina. Da es aber zu stark ausblich und fleckempfindlich war, wurde es gegen Ende des Lebenszyklus pigmentiert, um Reklamationen zu vermeiden. Der VW Touareg hatte in einer Sonderedition ein Semianilinleder im Angebot, welches schnell durch Flecken und Patinabildung auffiel. Viele Kunden waren unzufrieden, und die Lederart wurde wieder aus dem Sortiment genommen. Auch das Reinanilin im Audi RS6 war extrem empfindlich, und ein verschwitztes Hemd hinterließ eingezogene Flecken. All diese Leder erfüllten die Normen für diese Lederart, aber für den Endverbraucher sind diese Mindestanforderungen zu wenig lebensnah. Aus diesem Grund hat die Autoindustrie strengere Qualitätsparameter, die mindestens erfüllt werden müssen, welche Anilinleder für diesen Verwendungszweck ausschließen.
VW Touareg mit Semianilinleder. - Audi mit Vollanilinleder ohne jeden Schutz und Schweißflecken.
Anilinleder als Möbelleder
Im Möbelsegment sind Anilinleder wesentlich häufiger vertreten. Möbelleder werden von den Käufern eher haptisch geprüft, und kalte Leder mit einer starken Pigmentierung, die im Fahrzeugbereich akzeptiert werden, kommen für Möbel seltener in Frage. Je weicher und natürlicher sich ein Leder anfühlt, desto eher findet es das Wohlwollen des Endverbrauchers. Die typischen Qualitätsprüfungen bei Möbelledern sind die Stärke, das Dauerfaltverhalten, die Weiterreißfestigkeit, die Zurichtungshaftung (wenn vorhanden), die Lichtechtheit und die Reibechtheit. Weil Anilinleder empfindlicher sind und nicht die Mindestparameter der Lichtechtheit und Reibechtheit der Semianilinleder erfüllen können, sind die Mindestanforderungen an Anilinleder niedriger. Im Ergebnis bleicht ein Anilinleder sichtbar stärker aus als ein Semianilinleder und ist deutlich fleckenempfindlicher.
Anilin-, Semianilinleder (RAL GZ 430)
Bei der Lederherstellung, beim Zuschnitt in der Verarbeitung, beim Möbelverkauf und beim Endverbraucher tauchen Probleme bei Anilinledern auf. Die Gerber müssen die Erwartungen des Möbelhandels und der Endkunden erfüllen. Der Möbelhandel erwartet gleichbleibende Ware und mit dem Endkunden zusammen möglichst wenige Reklamationen aufgrund der Lederart. Anilinleder kann diese Erwartungen kaum erfüllen. Aufgrund der Offenporigkeit und mangels Pigmentierung fallen [Partie|Chargen]] unterschiedlich aus, und selbst kleinste Hautschäden bleiben sichtbar. Der Möbelhersteller tut sich dadurch beim Zuschnitt schwer und hat die Wahl zwischen höherem Verschnitt oder einem höheren Reklamationsrisiko.
Anilinleder ausgeblichen. - Unterschiedliches Alterungsverhalten unterschiedlicher Chargen.
Der Möbelhandel muss den Kunden die Vorteile vom Anilinleder preisen, aber tut sich schwer, die Empfindlichkeit zu kommunizieren. Der Endverbraucher erwartet in der oberen Preisklasse ein dauerhaftes Leder und ist bei sichtbarer Ausbleichung und Flecken mehrfach enttäuscht. Zum einen ist er enttäuscht, dass es überhaupt zu Farbveränderungen und Flecken kommt, und dann ist er enttäuscht, dass die Behebung der Probleme nicht mit einfachen Mitteln möglich ist. Bei einer Pigmentzurichtung ziehen Flecken nicht sofort ein und können mit wässrigen Reinigern meist rechtzeitig entfernt werden, und Gebrauchsspuren, die die Pigmentierung geschädigt haben, können mit einer Farbauffrischung wieder ausgeglichen werden. Der Kunde kann selber kostengünstig tätig werden und bekommt das Problem großteils behoben. Bei Anilinledern sind die Farbveränderungen großflächig, und eingezogene Flecken lassen sich in den seltensten Fällen mit einem Reiniger entfernen.
Anilinleder ist schwieriger zu reinigen als pigmentierte Leder. Schnell vergrößert man die Flecken durch falsche Reinigungsversuche.
Oft fragen uns Kunden, warum sie mehr Geld für das schlechtere Leder ausgegeben haben. Wir erklären diesen Kunden, dass sie die Seide des Leders erworben haben und man mit Seide nicht bei schlechtem Wetter Pilze suchen würde. Meist ist dann die Entgegnung, warum man das nicht beim Kauf mitgeteilt bekommen hatte. Man hätte sich dann für eine andere Lederart entschieden. Leider ist die Einstellung und Konditionierung bei den meisten Möbelverkäufern so, dass man lieber eine Unterschrift oder Provision kassiert, als dass man womöglich den Kunden verliert. Die Möbelhändler werden später als Vertragspartner mit den Reklamationen konfrontiert und hoffen, dass der Möbelhersteller oder die Kundendienstfirmen das Problem beheben können.
Bei Anilinledern ist eine Reparatur aber deutlich schwieriger und seltener möglich als bei pigmentierten Ledern. Das Leder entspricht den Anforderungen der Norm für diese Lederart, und der Kunde bleibt auf seinem Schaden sitzen. Was nützt es, wenn das Leder die Anforderungen an die Lichtechtheit und Reibechtheit erfüllt, aber der Kunde eine verblichene und/oder fleckige Garnitur hat, die ihm nicht mehr gefällt? So ein Kunde ist für die Lederindustrie dauerhaft verloren.
Neu Möbel mit Anilinleder. - Älter Anilinledermöbel mit einer schönen Patina.
Anilinleder mit leichten Pigmentzurichtungen
Bei einer Umfrage des Lederzentrums bei Endverbrauchern im Jahr 2010 (PRO-LEDER 2010-01, Seite 14 „Auto- und Möbelleder aus Sicht der Endverbraucher“) waren 71 Prozent der Endverbraucher mit Anilinledermöbeln bei Ausbleichungen und Flecken mit dem Kauf im Nachhinein unzufrieden. Knapp 80 Prozent beklagten verblichene Möbel, und ca. 20 Prozent hatten Fettflecken im Kontaktbereich. Mit im Handel kursierenden Lederbeschreibungen wie „Anilinleder leben mit und werden mit der Zeit schöner“ sind betroffene Kunden nicht zu befriedigen. In der Absicht, dieses Dilemma zu mildern, behalfen sich Gerber teilweise durch Fasspigmentierungen oder durch leichte Oberflächenpigmentierungen, welche die Optik der Leder verbessern und die Empfindlichkeit mindern. Der Hersteller war zufriedener, weil die Ware gleichbleibender war, und der Handel und Endverbraucher, weil das Leder zu weniger Reklamationen führte und pflegeleichter wurde. Kam es doch zu Reklamationen, aus welchen Gründen auch immer, wurden die als Anilinleder titulierten Leder auf Anilinleder geprüft. Konnten Pigmente auf der Oberfläche festgestellt werden, war das Leder laut Norm kein Anilinleder. Wurde das Leder dann alternativ als Semianilin getestet, fiel das Leder bei der Reib- und/oder Lichtechtheit durch. Das Leder war dann mangelhaft, und der Endverbraucher hatte eine Anspruchsgrundlage für eine Reklamation.
Aufbau der Lederfärbung, Zurichtung. Ohne Zurichtung = Anilinleder.
Ist ein Leder, welches die Anforderungen für Anilinleder erfüllt, aber eine leichte Pigmentierung aufweist und die Parameter für Semianilinleder nicht erfüllt, mangelhaft? Ganz sicher nicht. So ein Leder ist weiterhin sehr natürlich und hat dazu eine größere Gebrauchstauglichkeit. Die Natürlichkeit ist geringer als beim Reinanilinleder, aber höher als beim Semianilinleder. Mangelhaft sind allenfalls die relevanten Normen, weil sich eine Lücke zwischen der Definition für Anilinleder und Semianilinleder auftut, die vom Lederhersteller bis zum Endverbraucher nicht erwünscht ist und von keinem als schützenswert erachtet wird.
Anilinleder veredelt (gebrauchsoptimiert)
Bedauerlicherweise ist die Füllung dieser Lücke komplizierter als vermutet. Die beschriebene Problematik führt bis dato nur in Deutschland zu Problemen, aber die relevanten Normen müssen EU-weit abgestimmt sein. Auch erfahrene Prüfinstitute tun sich nachvollziehbar schwer, die fehlende Lederart eindeutig abzugrenzen. Um eine Rechtssicherheit für die Gerber zu schaffen, die Anilinleder mit Pigmenten korrigieren, wurde die Norm RAL 061 A1 (Abgrenzung der Qualitätsklassen von Polsterleder im Möbelbereich, Bezeichnungsvorschriften und Gütebedingungen, März 2016) ins Leben gerufen. Unter Punkt 3.2 wird die Lederart „Anilinleder veredelt (gebrauchsoptimiert)“ aufgeführt, die die Lücke zwischen Anilinledern ohne Pigmentierung und den Semianilinledern schließen sollte.
Bei dieser Lederart muss der natürliche Narben noch deutlich sichtbar sein, die Haarkanäle dürfen nicht vollständig mit der Zurichtung gefüllt sein, und eine pigmenthaltige Zurichtung darf nicht stärker als 0,01 mm sein. Der neuen Norm fehlt bisher die allgemeine Akzeptanz. Es wird argumentiert, dass es Leder gibt, die mit unter 0,01 mm Pigmentzurichtung die Normen für Semianilinleder schaffen und somit keine Lücke vorhanden ist, und dass die Abgrenzung zwischen „Narben deutlich und vollständig sichtbar“ (Anilinleder) und „Narben deutlich sichtbar, Haarkanäle nicht gefüllt“ (Anilinleder veredelt) und „Narben deutlich sichtbar“ (Semianilinleder) unscharf und daher nicht messbar ist, was zutreffend ist. Dazu wird argumentiert, dass durch die Bezeichnung „Anilinleder veredelt (gebrauchsoptimiert)“ ein Risiko der Verwässerung des Begriffs Anilinleder eintritt. Vergleiche wie „Gold mit Blei überziehen“ wurden dabei gezogen.
Endverbraucher und der Begriff Anilinleder
Das Lederzentrum ist ein Spezialist für Lederreinigungs- und Pflegeprodukte und Lederreparaturprodukte. Daher betrachten wir den Ledermarkt meist aus Sicht des Kunden, der ein Lederobjekt in seinem Besitz hat und es reinigen, pflegen oder reparieren möchte. Voraussetzung für eine Verwässerung des Begriffs Anilinleder wäre eine Kenntnis des Endverbrauchers, worum es sich bei Anilinleder handelt. Aus unserer Erfahrung wissen die meisten Endverbraucher mehr oder weniger sicher, was Leder ist. Fragt man nach Begriffen wie Anilinleder, Semianilinleder, Spaltleder, Rauhleder oder Wildleder, ist die Antwort meist weitab der Definitionen der Normen.
Endverbraucherbefragung zum Begriff Anilinleder
Im Januar 2018 befragten wir 45 Privatkunden, die sich mit Lederfragen ans Lederzentrum wandten, ob der Begriff Anilinleder bekannt ist, und ob die Eigenschaften der Lederart bekannt sind. 35 Anrufer kannten den Begriff nicht, und weitere 7 kannten die Eigenschaften nicht. Von den verbleibenden drei Anrufern konnte nur einer die Begriffe „offenporig“ und die Ausbleichund Fleckenempfindlichkeit richtig zuordnen. Im Ergebnis waren 93 Prozent der Anrufer der Begriff komplett unbekannt, oder konnten die relevanten Eigenschaften gar nicht benennen.
Endverbraucher kennen sich mit den Termini der Lederfachleute nicht aus. Dafür gibt es viele Gründe. In der Schule oder Ausbildung werden die Begriffe nicht gelehrt, außer man lernt einen Lederberuf. Die in der weiten Vergangenheit allerorts vorhandene Lederindustrie ist nicht mehr vorhanden. Allenfalls Familiennamen oder Straßennamen erinnern noch daran. Oft werden ederarten falsch oder missverständlich angegeben, und zunehmend werden Leder mit der nächsthöheren Qualitätsklasse bezeichnet, ohne deren Anforderungen zu erfüllen. Hier ist der Hauptgrund für die Verwässerung der Lederbegriffe zu finden. Es sind nicht die Bezeichnungen der Normen, die es schwierig machen, die Termini zu erklären und zu unterscheiden, sondern es sind die Inverkehrbringer von Lederwaren, die nicht entsprechend der genormten Fachbegriffe deklarieren, sondern falsch auszeichnen.
Auf der Strecke bleibt der Endverbraucher, der erwartet, dass das Gekaufte seinen Wünschen entspricht und richtig deklariert ist. Beim Anilinleder wäre eine Einteilung in Reinanilinleder und Anilinleder veredelt durchaus vorstellbar und für den Endverbraucher eine erkennbare Orientierung, wenn sich alle an die Deklarationen halten würden. Eine Pigmentierung bedeutet nicht Blei auf Gold. Dann wäre Semianilinleder noch minderwertiger, wobei es eine hochwertige Lederart ist, und pigmentierte Leder wären dann noch viel schlechter angesiedelt. Diese Diskussion geht in eine ganz falsche Richtung. Anilinleder veredelt ist zwischen Anilinleder und Semianilinleder angesiedelt und somit hochwertig und wertvoll und eher zwischen Gold und Silber angesiedelt.
Anilinleder gibt es in allen Bereichen: Bekleidungsleder, Fahrradsattel, Schuhleder, Taschen- und Kofferleder
Da auch Semianilinleder den Begriff „Anilin“ beinhaltet, muss es einem dazwischenliegenden Begriff auch gestattet sein, diese Bezeichnung zu führen. Die Argumentation, dass durch die Bezeichnung Anilinleder veredelt eine hochwertigere Lederart als Anilinleder angepriesen würde, ist aus Sicht des Endverbrauchers sogar zutreffend. Der Endverbraucher wünscht sich bei hochpreisigen Ledermöbeln und Fahrzeugpolstern mit Leder ein langlebiges Produkt. Die Empfindlichkeit von Reinanilinledern müsste beim Kauf deutlich kommuniziert werden, damit ein Endverbraucher eine realistische Wahlmöglichkeit hat, das für ihn Richtige auszuwählen.
Durch die Füllung der Lücke zwischen reinem Anilinleder und Semianilinleder durch eine Lederart Anilinleder veredelt wird real und mit der Norm eine Lücke gefüllt. Kunden wohnen heutzutage auf ihren Möbeln. Die gute Stube ist nicht mehr nur besonderen Anlässen vorbehalten. Man legt sich mit Jeans auf die Möbel und isst und trinkt auf den Möbeln. Die Fensterfronten sind größer geworden, und es gibt mehr Wintergärten. All diese Veränderungen machen die empfindlicheren Anilinleder im Möbelbereich für viele Endverbraucher zu einem No-Go.
Die neue Lederbezeichnung bietet zudem dem Verkaufspersonal Argumentationsmöglichkeiten, eine leichte Pigmentierung zu vermitteln, die eindeutig hochwertig angesiedelt ist. Dem in der Minderheit vertretenen Puristen, der Reinanilin kennt, versteht und möchte, verbleibt weiterhin die Möglichkeit, sein Anilinleder mit der später unvermeidlich auftretenden Patina zu erwerben.
Anilinleder ist wertvoll und natürlich, aber nicht pflegeleicht und reparaturfreundlich.
Die Lederart Anilinleder veredelt wird mit einer Lichtechtheit von mindestens 3 und einer Reibechtheit von trocken 100 Zyklen, nass 40 Zyklen und pH 8 30 Zyklen keine unempfindliche Lederart sein und für den Fahrzeugbereich nicht in Frage kommen, aber es füllt eine Regelungslücke, die durch real existierende Lederangebote gefüllt wird und fasst eine Lederart, die vom Endkunden akzeptiert wird, juristisch und begrifflich in klare Worte, was wünschenswert und nötig ist.
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